Daily News

Michael Schultz Daily News Nr. 1000

Michael Schultz Daily News Nr. 1000

Lissabon, den 14. August 2015

es ist vollbracht: die eintausendste Ausgabe der Daily News liegt endlich auf dem Tisch. Ein großes Ziel ist erreicht, seit langem schon wird diesem Tag entgegengefiebert. Ein Mammutwerk; wahrlich. Eintausend Mal recherchieren, verfassen, redigieren, formatieren und versenden, bedeuten dreitausend Arbeitsstunden die in dieses Projekt gesteckt wurden. Auch, wenn es an manchen Tagen wehtat, zielstrebig und hochmotiviert wurde auf die heutige Ausgabe hingearbeitet. Vergleichbar mit einem Dauerläufer, der zur Überprüfung seiner Leistung seine Schritte zählt. Heute und hier anzukommen, das stand über allem. Eine lange Strecke - der Weg wurde zum Ziel.

Angefangen hatte das alles einmal als Kommunikator zu Künstlern und Mitarbeitern. In den ersten Monaten gab es uns sogar noch in einer täglich erscheinenden englischen Ausgabe. Mit ungeheurem Enthusiasmus sind wir ans Werk gegangen. Zu Beginn war es ein auf drei Monate angelegter Versuch, den Informationsstand unter allen Beteiligten auf ein Niveau zu bringen. Danach wurden einhundert Ausgaben proklamiert, jetzt sind es eben zehn Mal so viele geworden. Ein guter Anlass, den Blick ein wenig schweifen zu lassen.

Im Kern der Berichterstattung stand die Kunst; unzählige Auktionen wurden beobachtet, und deren Ergebnisse mit Kommentaren versehen. Wir schrieben über Helge Achenbach und den schnellen Verlust seiner einst besten Geschäftsfreunde. Das hat viel Aufmerksamkeit, aber auch juristische Schelte eingebracht. Babette Albrecht, die Witwe des  von Achenbach über den Tisch gezogenen Aldi-Erben Berthold Albrecht, hat uns per Unterlassungserklärung und Klageandrohung dazu verdonnert, bestimmte Äußerungen über sie und ihren Mann nicht mehr zu verbreiten.

Kunstmessen, rund um den Erdball, gehörten zu den Themen, über die wir regelmäßig geschrieben haben. Immer ein wenig von oben darauf, selten aus der Sicht des eigenen Handelns. Kulturpolitische Themen wurden erörtert, auch dafür gab es gehörige Schelte. Dem Bundesverband deutscher Galerien hatten wir einen eingeschenkt, weil wir der Meinung  waren (und es immer noch sind), dass die Verbandsfunktionäre ihre Hausaufgaben im Zusammenhang mit der Mehrwertsteuererhöhung nicht zur Zufriedenheit ihrer Mitglieder verrichtet haben. 'Wem nützt es, wenn ein Eliteverein von drittklassigen Funktionären geführt wird', hatten wir sinngemäß geschrieben. Auch da mussten wir nach einem Brief des Verbandsjustitiars ein wenig zurückrufen. Zumindest im Ton; an der Sache selbst hat sich bis heute nichts geändert.

Wir haben die unsägliche Beltracchi-Lobeshymne im 'Stern' auseinandergenommen. Ulrike Posche, die Verfasserin, wollte uns deshalb eine Honorarrechnung zukommen lassen. Sie war der Meinung, wir hätten von ihrem Bericht abgeschrieben; anscheinend hatte sie ihren eigenen gar nicht gelesen. Nachdem wir sie auf diesen Irrtum aufmerksam machten, und sie zu einem Gespräch bei einem guten Glas Rotwein eingeladen hatten, haben wir nichts mehr von ihr gehört.

Das Verschwinden der MH 370 war uns eine Herzensangelegenheit, weil genau unter dieser Flugnummer die Strecke von Kuala Lumpur nach Beijing mehrmals selbst geflogen wurde. Wenn dann der Flieger spurlos vom Himmel verschwindet, lässt einen das nicht kalt. Überhaupt wurde verhältnismäßig viel übers Fliegen geschrieben; es liegt wohl an der Faszination und der vielen Zeit, die man damit verbringt. Ein Bericht über den mutmaßlichen Abschuss der MH 17 über der Ukraine brachte uns auch Ärger ein: die Wiedergabe einer Pressekonferenz in Holland hatte sich die ˈDPAˈ gesichert. Wir hatten die Information aus irgendeiner Tageszeitung per Zitat übernommen, die die ˈDPAˈ-Meldung eins zu eins abgedruckt hatten. Das ging ganz schnell und schon war die Rechnung auf dem Tisch. 

Man ärgert sich dann zwar über die damit verbundenen Kosten, freut sich aber auch, dass es anscheinend weitaus mehr Leser gibt, als wir bisher vermuteten. Nur an deren Reaktionen ist dies feststellbar; grob geschätzt erhalten wir im Schnitt rund zehn Rückmeldungen täglich (via E-Mail, SMS oder Anruf), das ist eine ganze Menge. Einiges davon blieb unbeantwortet, weil  dazu oft die Zeit fehlt. Die meisten Rückmeldungen gab es auf den Tagesbrief, in dem wir über Ratschläge für exzessiven und lustvollen Sex bei Rückenschmerzen berichteten. Rund vierzig E-Mails, damit hatten wir überhaupt nicht gerechnet.  

Aus politischen Themen haben wir uns auch nicht herausgehalten. Uns war es wichtig, auch dazu eine Meinung zu haben. Vieles konnten wir vorhersehen, so auch die Einigung mit Griechenland. Im persönlichen Umfeld allerdings gab und gibt es kaum Freunde, die den Griechen noch helfen wollen. Ähnlich ist die Situation bei den Asylsuchenden. Ganz schlimme Töne muss man sich da schon mal anhören, gar von Menschen, die mit der Not der Vertriebenen reichlich Geld verdienen. Standhaft bleiben - unsere Vorgabe. 

Aus der ˈPegidaˈ-Ecke wurde uns Bedrohliches übermittelt, doch Gott sei Dank hat sich dieser Spuk von selbst zerlegt. Nichts war uns heilig genug, um dazu nicht eine Meinung zu haben. Geschrieben wird der Newsletter immer am Morgen des Erscheinens, das garantiert zu tagesaktuellen Themen eine enorme Aktualität. Weil wir aber über kein Korrespondentennetz verfügen, informieren wir uns über andere Medien. Vielleicht ist es jetzt mal an der Zeit, uns bei den Kollegen zu bedanken: ˈARDˈ/ˈZDFˈ, ˈSüddeutsche Zeitungˈ, ˈTagesspiegelˈ, ˈFAZˈ, ˈWeltˈ, ˈBildˈ und ˈSpiegelˈ; ohne deren 'Vorarbeit' gäbe es uns in dieser Form nicht. Ganz großen Dank auch an die Macher vom 'Informationsdienst Kunst', ihre Einwürfe gehören zu den allerbesten in der Branche. Inspirierend und wegweisend.

Und wenn ich schon mal dabei bin, bedanken muss ich mich auch bei meinem Freund, dem Publizisten Manfred Bissinger, der mich seit Jahr und Tag mit feuilletonistischen Zeitungsausschnitten beliefert. Ein Service, der wegen meiner vielen Auslandsreisen nicht hoch genug einzuschätzen ist. Dank der guten Versorgung entgeht mir also nichts.

Fußball, auch ein großes Thema welches regelmäßig beleuchtet wurde. Die Reaktionen hierauf sind recht unterschiedlich; die Anhänger der Bayern kommentierten jeden Sieg ihrer Mannschaft mit Hochmut, die Fans der Dortmunder taten dasselbe mit Genuss. Fußball eben. Das einzig tragische allerdings, was in der letzten Bundesligasaison wirklich geschah, war der Abstieg der Kulttruppe aus Freiburg. Alles andere war vorhersehbar. 

Erwähnenswert sind auch noch die Reiseimpressionen aus allen Ecken der Erde; Lombok im Ramadan, Aserbaidschan im Aufbruch, Portugal im Hochsommer. Drei Beispiele, die für viele stehen.  Im Urlaub zu schreiben, das hat immer am meisten Spaß gemacht. Entspannter Körper, gelöste Sinne; so geht es am besten. Doch das Schreiben wurde zur Sucht, manchmal auch zur Qual. Geschrieben wurde im Flieger, im Krankenhausbett, in Museen, auf Partys, im Bett und am Pool. Immer so, dass alles vor zehn im Office war. Dort wurde die Feinarbeit verrichtet und  so versendet, dass die Daily News möglichst vor 11 Uhr bei den Empfängern auf dem Bildschirm erschienen. Ohne  die Mithilfe der Kollegen geht da nichts; gut möglich, dass dies auch der Grund ist, warum die Texte in der 'Wir'-Form verfasst werden. Dank an Jona Markgraf, Antje Bollwahn, Julia Repke (die uns leider gen Köln verlassen hat), an Michèle Lee und Katharina Arimont.  Dank aber auch an Anton Cos und Ricarda Brosch, die bei so mancher Recherche und Themensuche behilflich waren. 

Die tausend also haben wir geschafft. Dazu gehört viel Durchhaltevermögen, aber auch Verzicht. Auf Alkohol am Abend und Zärtlichkeit am Morgen. Immer on duty, zumindest von Montag bis Freitag. Im Inneren des Herzens war beschlossen, dass damit heute Schluss ist. Dabei wollen wir es auch belassen; zumindest vorrübergehend. Jetzt benötigen wir erstmal eine Denkpause, danach werden wir sehen, ob und wie es weitergeht. War toll mit euch. Danke auch dafür.